Ein Kommentar von Philipp Berger

Mitte Juli des vergangenen Jahres sorgten Bilder und Videos aus dem Ahrtal für Entsetzen. Bilder von Hochwassermengen, wie wir sie in Deutschland bisher nur selten gesehen haben. Ein Ausmaß der Zerstörung, das man sich so niemals hätte ausmalen können.

Am Freitag, den 16.07.2021 zeigten sich die Auswirkungen des Tiefs Bernd nach zweitägigem Dauerregen auch auf unserer Sportanlage in Kerpen-Balkhausen. Aufgrund der massiven Schäden in Erftstadt und vor allem im Ahrtal ist dies medial oft untergegangen. Ein Jahr nach der Flut möchten wir nun einen Blick auf den aktuellen Stand der Sanierungsarbeiten werfen.

Zur Erinnerung: Die Erft hatte unsere gesamte Sportanlage überspült und teilweise sogar die dahinterliegenden Wohnhäuser erreicht und beschädigt. Während unser Rasenplatz (Baujahr ca. 1970er Jahre) die Wassermassen recht gut „verdaut“ hat, wurden Aschenplatz und Vereinsheim hingegen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Bilder der Verwüstung sind in unseren früheren Beiträgen zu finden.

Ein Jahr nach der Flut – Ein Jahr ohne Vereinsheim

Mit Unterstützung der freiwilligen Feuerwehr Brüggen und dank der Mithilfe zahlreicher Vereinsmitglieder konnten wir das Vereinsheim von den Wassermassen befreien. Doch ein Wiederaufbau sollte noch lange auf sich warten lassen. Die Landesregierung versprach schnelle und unbürokratische Unterstützung für flutbetroffene Haushalte und Vereine. Ein Jahr später dürfen wir ohne schlechtes Gewissen sagen: Davon haben wir nichts mitbekommen. Stattdessen begann ein unermüdlicher „Kampf“ gegen die Bürokratie. Fortschritte konnten nur langsam verzeichnet werden.

So sei vorweggegriffen: Das Vereinsheim des Vereins ist bis heute ohne ordentliche Stromversorgung, ohne Heizungsanlage und ohne Warmwasserversorgung. Die Kabinen und Duschen sind bis heute nicht nutzbar. Alternativen? Fehlanzeige.

Doch sind wir ehrlich: Mit einer schnellen Schadensbeseitigung hat von Anfang an niemand gerechnet. Stattdessen trat ein, was zu erwarten war: Die Mühlen mahlen langsam.

Wie ist der aktuelle Stand?

Erst am 20. Juni 2022 und damit mehr als elf Monate (!) nach der Flut begannen die ersten Arbeiten im Keller unseres Vereinsheims. Seit diesem Tag läuft die Entkernung des vollständig überfluteten und sanierungsbedürftigen Räumlichkeiten. Dort, wo sich vier Kabinen, zwei Duschräume, eine Schiedsrichterkabine und sämtliche Technik des Vereinsheims samt Stromversorgung, Heizungsanlage, Entwässerungspumpen und Bewässerungsanlage befanden ist nun nur noch Schutt und Asche zu sehen. In einigen Wochen soll die Entkernung abgeschlossen werden. Erst dann kann eine ordentliche Trocknung des Gebäudes beginnen. Seit August 2021 laufende Trocknungsgeräte (24/7-Dauerbetrieb) sorgten lediglich dafür, dass sich die Schäden nicht verschlimmern und in Schimmelbildungen ausuferten. Eine Trocknung war damit aber noch nicht möglich.

Und dann? Wie geht es weiter? Nach unserem aktuellsten Kenntnisstand besteht große Diskrepanz über die Einschätzung der anschließenden Trocknungsdauer: Während die Versicherung von einem Zeitraum von vier Wochen ausgeht, hat ein externer Gutachter eine Trocknungsdauer von bis zu neun Monaten in Aussicht gestellt. Für alle handelnden Personen ist dementsprechend die weitere Planung des Wiederaufbaus zeitlich nicht kalkulierbar. Für den Verein und seine Mitglieder ist das eine hinzunehmende, aber dennoch frustrierende Ausgangslage. Wie soll man Spielerinnen und Spieler von sich überzeugen, wenn man nicht einmal eine Kabine zum Umziehen anbieten kann. Eine schwache Perspektive, die das ohnehin schon hart umkämpfte Geschäft mit der Kunstrasen-Konkurrenz zur Mammutaufgabe werden lässt.

Überbrückungshilfe des DFB – Hoffentlich bald

Dass ein schneller Wiederaufbau im Bürokratieland Deutschland nicht zu erwarten war, hat wohl auch der DFB frühzeitig erkannt und folglich ein Hilfsprogramm für seine Vereine auf die Beine gestellt. Mittels gesponsorter Umkleide- und Duschcontainer soll den betroffenen Flutvereinen über die langen Sanierungszeiträume hinweggeholfen werden. Leider hat auch den DFB der Bürokratieprozess eingeholt: Langwierige Vergabeverfahren, Planungsphasen und vieles mehr haben auch hier eine schnelle Hilfe unmöglich gemacht. Ein Jahr später warten wir noch immer auf die erhoffte Hilfe des DFB. Diese soll uns zum Start der Saison 2022/2023, also spätestens im September erreichen. Einer Aufstellung von Umkleide- und Duschcontainern sehen wir angesichts der unklaren Lage im Vereinsheim sehnlichst entgegen.

Entkernung erst nach 11 Monaten – Warum?

Der medialen Berichterstattung war frühzeitig zu entnehmen, dass alle flutbetroffenen Gebäude umfassend saniert, wenn nicht sogar entkernt werden müssen. Fliesen, Tapeten und sogar Putz und Estrich mussten in den allermeisten Fällen entfernt werden, um eine angemessene Trocknung ermöglichen zu können. Neben den Wasserschäden machten auch die durch das verseuchte Hochwasser zu erwartenden Kontaminationen Sorgen. Schließlich hatten die Wassermassen zahlreiche Verunreinigungen in die Gebäude gespült. Eine Entkernung war also in unseren Augen alternativlos.

Leider sah man dies in der Kerpener Verwaltung zunächst anders. So begann eine monatelange Diskussion, um das Ausmaß der Schäden und die dementsprechend erforderlichen Maßnahmen. Eine vollständige Entkernung hielt man verwaltungsintern lange Zeit für nicht erforderlich. Umfassender Druck seitens des Vereinsvorstandes und der Politik führten schließlich aber dazu, diese Prüfung einem externen Gutachter zu übertragen. Dieser bestätigte: Eine Entkernung war alternativlos. Viel Zeit und Geld hätten gespart werden können, wenn man sich vor dieser offensichtlich zu erwartenden Erkenntnis nicht monatelang verschlossen hätte.

Ab dem Jahreswechsel sollte durch weitere Bohrungen das vollständige Schadensausmaß festgestellt werden. Doch auch dann war ein Beginn der Arbeiten noch in weiter Ferne. Schließlich mussten Vergabeverfahren beachtet werden, Angebote von Firmen ausgewertet und schließlich der Versicherung zur Prüfung vorgelegt werden. Dieses bürokratische Prozedere hat viel Zeit gekostet. Dabei ist es ohnehin schon für alle Beteiligten schwer genug, überhaupt Unternehmen zu finden, die die erforderlichen Arbeiten in ihren Kapazitäten unterbringen können. Und so stehen wir elf Monate nach der Flut in einem Vereinsheim, dass noch nicht vollständig entkernt wurde und in dem der Trocknungsprozess noch gar nicht richtig anlaufen konnte. Ein Ärgernis für alle Beteiligten.

Bürokratie wird uns auch in Zukunft noch beschäftigen

Auch nach Abschluss der Entkernung wird sich das Rad der Bürokratie weiterdrehen. Fachfirmen für die erforderlichen Wiederaufbauarbeiten können nicht ohne Weiteres beauftragt werden. Auch hier sind Vergabeverfahren zu beachten, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Der Wiederaufbau gleicht damit einem Hürdenlauf. Die Landesregierung hatte im vergangenen Jahr mit einem Erlass auf diese bürokratischen Hürden reagiert. Leider galten diese Maßnahmen nur bis zum Jahresende 2021. Dass auch heute noch Flutarbeiten in zahlreichen Kommunen erforderlich sind, scheint man dabei nicht bedacht zu haben. Hilfe sieht in dem Fall aber anders aus.

Zerstörter Tennenplatz – Noch immer eine Reise ins Ungewisse

Anders als im Vereinsheim sahen die Tendenzen beim Wiederaufbau des zerstörten Tennenplatzes zunächst gut aus. Bereits im Oktober 2021 wurde die Planung eines neuen Rasenplatzes politisch einstimmig beschlossen. Laut Beschlussvorlage der Stadtverwaltung wurden erste Planungsergebnisse Anfang Dezember 2021 erwartet und sollten dem Ausschuss für Sport, Freizeit und Kultur vorgelegt werden. Doch es kam anders. Im März 2022 zeigte sich stattdessen, dass die Planungen noch gar nicht begonnen hatten, da Vermessungsgrundlagen fehlten. Verwunderlich, wurde schließlich der Planungsauftrag im November 2021 bereits erteilt. Vier Monate vergingen also, in denen nichts passiert ist. In der Zwischenzeit wurde der Tennenplatz in einen notdürftig bespielbaren Zustand gebracht. Heute ist festzuhalten: Nach vermehrten Regenfällen, Sturmereignissen und Trockenheit ist der alte Zustand wiederhergestellt. Eine Bespielbarkeit ist kaum verletzungsfrei möglich.

Umso wichtiger war es, einen Baubeginn in 2022 zu forcieren. Dies hatte die Kerpener Stadtverwaltung auch bis ins Frühjahr 2022 stets betont. Leider kann auch dieser Termin nicht gehalten werden. Stattdessen ist mit einem Baubeginn erst im Frühjahr 2023 zu rechnen.

Immerhin wurden Verwaltung und Verein inzwischen vorläufige Planungsergebnisse präsentiert, die Hoffnung auf eine tolle Sportanlage machen. Ein Abschluss der Planung dürfte zeitnah zu erwarten sein, schließlich liegen die dafür erforderlichen Bodengutachten inzwischen vor. Die Vorlage der Planungsergebnisse an den Ausschuss für Sport, Freizeit und Kultur steht allerdings noch aus und wird auch noch weiter auf sich warten lassen: Schließlich wurde die letzte Ausschusssitzung vor der Sommerpause mangels Themen abgesagt – eine Farce!

Wiederaufbauprogramm NRW – Überlebenswichtig

Zum Wiederaufbau der Flutschäden hat die Landesregierung ein millionenschweres Förderprogramm aufgesetzt. Dieses Förderprogramm soll zur Wiederherstellung eines ganzjährig bespielbaren Fußballplatzes auf unserer Sportanlage genutzt werden. Auch hier sind bürokratische Hürden zu nehmen. Der Antrag muss zunächst vom Fördermanagement der Stadt Kerpen vorbereitet und sodann vom Stadtrat der Stadt Kerpen beschlossen werden. Sodann wird er zur Prüfung an die Bezirksregierung weitergeleitet. Inzwischen ist klar: Erst, wenn ein Bewilligungsbescheid der Bezirksregierung vorliegt, werden die Arbeiten an der Sportanlage beginnen können. Wir hoffen auf eine schnelle Bearbeitung der Bezirksregierung, um nicht noch weitere Zeit in diesem langwierigen Prozess zu verlieren.

Zukunft des bisherigen Rasenplatzes weiter ungewiss

Als wären die Entwicklungen im Vereinsheim und auf dem zerstörten Tennenplatz noch nicht genug Belastung für unseren Verein, entbrannte in der Zwischenzeit zwischen Vereinsführung und Verwaltung ein Streit um die Zukunft des bisherigen Rasenplatzes. Seitens der Stadtverwaltung will man diesen Platz nicht mehr aufrechterhalten. Die vielfältigen Gründe für dessen Erhalt werden jedoch weiterhin verkannt. Für Verwunderung sorgt, dass die Verwaltung von einem politischen Ein-Platz-Beschluss ausgeht. Unsere Ansprechpartner in der Politik können sich an einen solchen Beschluss nicht erinnern. Dies geht auch nicht aus den Ratsunterlagen hervor. Eine Klärung hierzu steht noch aus. Seitens des Vereins wurden zahlreiche Gründe für den Erhalt der Sportanlage vorgetragen. Diese beinhalten bereits zahlreiche Kompromisse des Vereins im Pflege- und damit Kostenumfang der Sportanlage. Auch eine Teilöffnung der Sportanlage für die Öffentlichkeit und damit das Angebot einer optimalen Bolzwiese wurde bisher nicht von der Verwaltung aufgegriffen. Glücklicherweise liegt die Entscheidung über die Zukunft des Rasenplatzes aber ohnehin beim Stadtrat. Dieser wird den unnötigen Streit zwischen Verwaltung und Vereinsvorstand hoffentlich klären können.

Fazit: Kein politisches, sondern ein bürokratisches Problem

Ein positiver Eindruck bleibt jedoch nach einem Jahr: Alle politisch erforderlichen Beschlüsse konnten einstimmig gefasst werden. Seitens der Politik war man sich einig: Ein Wiederaufbau muss so schnell wie möglich erfolgen. Die Sportanlage muss erhalten bleiben. Schließlich bietet sie rund 11.000 Einwohnern aus Balkhausen, Brüggen und Türnich eine sportliche Heimat. Wir haben also kein politisches Problem. Vielmehr sind es die bürokratischen Hürden, die neben der ohnehin schon schwierigen Lage durch Ressourcenknappheit und Fachkräftemangel, einen zügigen Wiederaufbau nahezu unmöglich machen.