Das Coronavirus hat die Siegesserie der zweiten Mannschaft abrupt gestoppt. Auch der Aufstieg ist aufgrund eines möglichen Saisonabbruchs stark gefährdet, das ist nun auch mir bewusst. Nachdem ich vor etwa einer Woche aus dem Koma aufgewacht bin (ich war seit Anfang Januar in diesem Zustand), habe ich eine völlig neue Welt kennengelernt. 

„Wo bin ich? Nun ja, eigentlich egal. Hauptsache wach“, waren meine ersten Gedanken als ich endlich aufgewacht bin. Meine Eltern saßen an meinem Bett, die Anstrengungen der vergangenen Monate waren ihnen anzumerken. Tiefe, dunkle Augenränder kamen unter ihren Brillen zum Vorschein. Doch als ich sie mit geöffneten Augen ansah, lächelten sie. Sehr sogar. Meine Mutter hielt meine Hand, und mein Blick wanderte ziellos durch den Raum. Schnell wurde mir klar, dass ich in einem Krankenhaus liege. Klar, eine Sportverletzung dachte ich mir. Das kannte ich nur zu gut. Doch eigentlich hatte ich doch mit Fußball aufgehört, um weitere Verletzungen zu vermeiden. Komisch. Also fragte ich meine Mutter: „Was ist passiert? Knieverletzung? Aber warum habe ich denn wieder mit Fußball angefangen?“

„Nein, mein Junge. Du hast kein Fußball gespielt. Du lagst im Koma – von Anfang Januar bis heute“, entgegnete meine Mutter. „Scheiße. Und welcher Tag ist heute?“ Noch bevor meine Eltern mir antworten konnten, erblickte ich die digitale Uhr an der Wand. 29. März war dort zu lesen. Krass, drei Monate lang habe ich also absolut nichts mitbekommen von der Welt. Schnell wurde mir bewusst, dass es jetzt an der Zeit war, die für mich entscheidenden Fragen zu stellen: „Papa, wie sieht’s mit dem FC aus? In einem Monat ist ja schon die Saison vorbei. Ist Europa noch drin?“ Ich schob die nächste Frage direkt hinterher: „Und wie läuft’s für die Zwoote? Gewinnen die weiter jedes Spiel? Ach, klar doch, die Mallorca-Fahrt ist bestimmt schon gebucht. Hoffentlich haben die Jungs an mich gedacht.“ 

Auf zum Spitzenspiel

„Ruh’ dich doch erst einmal noch ein bisschen aus, mein Sohn. Alles andere klären wir dann, wenn du zu Hause bist.“ So verbrachte ich noch eine weitere Woche im Krankenhaus. Mir war sehr langweilig, denn ich musste mich tatsächlich weiter ausruhen – Handy- und TV-Verbot! Ich verpasste somit – dachte ich zumindest – die Champions-League-Spiele am Dienstag und Mittwoch. Auch hatte ich natürlich nicht den kompletten Spielplan der Bundesliga im Kopf, weshalb ich nicht wusste, gegen wen der FC am Wochenende spielen würde. Das war mir aber auch eigentlich gar nicht so wichtig, denn ich wusste genau: Wenn ich am Sonntag endlich entlassen werde, hat die Zwoote ein Heimspiel. Spitzenspiel gegen Erftstadt-Ville. Ich freute mich wie Bolle, endlich wieder Kreisliga! Schließlich holte mich mein Vater an jenem Morgen in einem Kölner Krankenhaus ab. Meine schwere Tasche zum Auto trug ich selbst. Klar, ich war ja wieder wach, und stärker als mein Vater war ich allemal. Gerade als ich den Kofferraum öffnen wollte, rief Papa: „Wirf die Tasche einfach auf die Rückbank, der Kofferraum ist voll.“

„Ich komme gerade aus dem Krankenhaus und ihr fahrt gleich direkt in den Urlaub…“, antwortete ich entsetzt. „Nein, natürlich nicht. Stell nicht so viele Fragen. Wenn ich sage, der Kofferraum ist voll, dann ist der Kofferraum voll!“ Die Reaktion meines Vaters machte mich dann doch ein wenig stutzig, zu gerne hätte ich nun den Kofferrauminhalt gesehen. Doch die Abdeckung verhinderte dies. Also fragte ich erneut: „Papa, jetzt sag’ schon. Was ist im Kofferraum?“

„Gleich, setz’ dich erst mal ins Auto, hier sind so viele Leute“, flüsterte mein Vater. So stieg ich kommentarlos ins Auto und wir fuhren los. Als wir den Parkplatz verließen, verriet mir Papa: „Du wirst es nicht glauben, aber der Kofferraum ist voll mit Klopapier.“ Nein, das konnte ich wirklich nicht glauben, damit hätte ich nicht gerechnet. Für mich war dies der Beginn dieser Ausnahmesituation, doch davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Den Rest der Fahrt schwiegen wir uns an, wobei ich die ganze Zeit über die Unmengen an Klopapier rätselte. 

Als wir dann wenig später von der Autobahn abfuhren und Brüggen erreichten, war ich in Gedanken versunken. Ich dachte an einen Döner, einen Pomm-Döner oder eine Türkische Pizza vom Brüggner Grill. Ja, das wäre jetzt perfekt, sagte ich mir. Wir fuhren an besagtem Imbiss jedoch erst mal vorbei, ich wunderte mich jedoch über die geschlossene Tür. Im Laden war auch kein Licht zu sehen. Okay, wohl geschlossen. Ich war jedoch nicht nur ob des geschlossenen Ladens verwundert. Nein, in Brüggen herrschte eine merkwürdige Stille. Kein Mensch war auf der Straße zu sehen. Sind wohl alle schon am Sportplatz, um sich die besten Plätze für das Spitzenspiel zu reservieren, war ich mir sicher. 

Vollidiot! 

Auch ich wollte mich natürlich schnell auf den Weg machen. So hatte ich, als ich zu Hause angekommen war, auch keine Zeit, mit meinen Eltern zu reden. Ich lief auf mein Zimmer, schaltete mein Handy ein und schrieb nur schnell in die WhatsApp-Gruppe meiner Freunde: „Jungs, bin wach. Wer kommt mit zum Sportplatz?“ Rasch erhielt ich auch die erste Antwort: „Kontaktverbot, du Idiot. Aber schön, dass du wach bist.“ Ich verstand aber immer noch rein gar nichts und fragte mich selbst: „Wo bin ich denn hier gelandet?“. Somit begab ich mich anschließend ins Wohnzimmer, ließ mich auf die geliebte Couch fallen und meine Eltern berichteten mir von der Corona-Krise – die Einzelheiten sind euch und Ihnen längst bekannt, mir auch. Daher erspare ich Ihnen diese. 

Ich begriff jedoch schnell: Kontakt vermeiden, Hände waschen, zu Hause bleiben. Kein Sportplatz, keine Freunde treffen, kein Schocken in der Kneipe. Nur die Sache mit dem Klopapier hatte ich immer noch nicht so ganz verstanden. Mich verwunderte auch, dass ich immer noch kleinere Menschengruppen zusammen ins Feld laufen sah – bzw. auch heute immer noch sehe. „Was für Idioten“, dachte ich mir. „Nein, VOLLIDIOTEN“, rief ich dann plötzlich ganz laut. Ich hatte es schnell begriffen, andere haben anscheinend ein wenig Pech beim Denken. 

Doch ich wollte natürlich wissen, was meine Jungs aus der Zwooten so den ganzen Tag lang treiben. So hat man ihnen doch in der Krise ihre zwei liebsten Gegenstände genommen: den Ball und die Theke. Mit modernen Kommunikationsgeräten geht das selbstverständlich auch ohne Kontakt wunderbar, sodass ich mich einfach in unserer WhatsApp-Gruppe zu Wort meldete. Was jedoch erst mal nicht so einfach war, da ich mich alleine in dieser Gruppe durch 1.407 Nachrichten aus den letzten drei Monaten kämpfen musste. Und, nun ja, an der ein oder anderen skurrilen Nachricht, dem ein oder anderen verstörenden Foto bleibt man dann eine Zeit lang hängen (Grüße gehen an dieser Stelle raus an Gregor Schneider, Dennis Dietze und, last but not least, Kai Becker). Alle, die schon mal in einer Kreisliga-Gruppe waren, werden an dieser Stelle wohl nickend zustimmen. Alle anderen bleiben unwissend. Seid froh, Freunde!

Nun hatte ich es aber endlich geschafft. Ich hatte alle Nachrichten der letzten Monate zur Kenntnis genommen und konnte nun selbst zur Tat schreiten: „Amigos, alles gut bei euch? Bin wieder wach…“ Zügig erhielt ich viele frohe Botschaften der Jungs. Doch das war für mich kein gutes Zeichen. Zu viel am Handy, zu wenig Training. Schließlich hatten wir ja noch ein großes Saisonziel.  Also schob ich hinterher: „Trainiert ihr denn auch alle fleißig im Homeoffice?“

Beerpong & Kneipentour 

„Klar, wir spielen zweimal täglich Beerpong über Skype. Ist echt anstrengend“, gab Leon Jantz zu Protokoll. Leon ist der Trent Alexander-Arnold der Mannschaft. Nein, er gehört nicht zu den wertvollsten Verteidigern der Welt. Nein, er wurde nicht in Welt-Elf 2019 gewählt. Nein, er ist auch kein englischer Nationalspieler. Aber Rechtsverteidiger ist er. Zumindest so lange, bis er seine Position gegen ein Sauerstoffzelt eintauscht. 

„Ich meinte eigentlich Intervallläufe, Treppenläufe oder Krafttraining“, antwortete ich. „Klar, Treppenläufe mache ich jeden Tag. Morgens runter, abends wieder hoch“, schrieb Torwart Sascha Hilgers. Wäre dies ein Facebook-Kommentar, Pascal Drinhaus hätte sicherlich auf „Gefällt mir“ geklickt. 

„Ich geh weiterhin auf Kneipentour. Stelle in jeden Raum im Haus mehrere Flaschen Bier, trinke die aus und laufe dann zum nächsten Raum. Macht Bock, probiert’s auch mal aus“, forderte Kai Becker, der Bierkapitän der Zwooten. Was nun? Ich war mit meinem Latein am Ende. Das Saisonziel, der Aufstieg, war stark gefährdet. Kein Training = keine Leistung. So viel war klar. Doch ich hatte da noch eine Idee. Ich rief die einzige Person dieser Welt an, die ebenfalls noch an das Saisonziel glaubte: Lambert Lessenich. „Hi Lambi, wir haben da ein Problem. Wie schaffen wir es, dass die Jungs auch von zu Hause aus motiviert trainieren und nicht den ganzen Tag lang Formel1-Simulator zocken?“ Lamberts Antwort: „Keine Sorge, ich kümmere mich darum.“

Kurze Info am Rande: Der Formel1-Simulator ist hier natürlich nur ein Beispiel, es werden auch andere Spiele gezockt. Wobei, es soll Spieler in dieser Mannschaft geben, die wesentlich weniger Geld an die Fahrschule hätten zahlen müssen, wenn sie die Theoriestunden mit der gleichen Motivation absolviert hätten wie ein Rennen am Computer. Oder, Timo Palm? 

Ich war jedoch beruhigt. Lambert wollte eine Lösung schaffen und verfasste eine Motivationsrede, deren Inhalt natürlich geheim bleibt. Es folgten viele zustimmende Antworten, ich zeige euch und Ihnen aber jetzt nur eine: „Bleibt zu Hause, bleibt gesund. Es gibt derzeit wichtigeres als Training.“ Stimmt!

Einige Stunden später telefonierte ich schließlich noch mit Marius Thybussek und Hans Böhmer. Wir sprachen über Gott und die Welt, bis Marius dann plötzlich fragte: „Jung, warum lagst du eigentlich im Koma?“ Doch bevor ich überhaupt antworten konnte, raschelte es im Hörer und die Verbindung war weg…

So, ihr Lieben: Nach dem ganzen Quatsch abschließend noch ein paar ernste Worte. Die Geschichte ist natürlich frei erfunden! Die Zwoote wünscht euch allen ganz viel Kraft in dieser schwierigen Situation. Gemeinsam schaffen wir das. Bleibt zu Hause, auch wenn dies nicht leicht fällt. Und kauft nur das, was ihr wirklich braucht. Danke an alle, die in dieser Zeit die Stellung halten und sich um unser Wohl kümmern. Bleibt gesund!

Eure Zwoote

Ganz besondere Grüße gehen raus an unserem Trainer Mo, der vor einigen Tagen operiert wurde. Gute Besserung, wir lieben dich!